Frau Jenny Schekahn und Herr Dr. Tobias Wunschik von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR berichteten am 8. Februar 2012 im Chemnitzer DAStietz über neue Erkenntnisse über die Tätigkeit, die Deliktstruktur sowie das soziale Profil sogenannter Zelleninformatoren. Hier dazu eine kurze Zusammenfassung:
Ein besonders perfides Mittel, um Belastungsmaterial gegen politisch Verfolgte zu erlangen, war der Einsatz so genannter Zelleninformatoren (ZI) durch Staatssicherheit und Kriminalpolizei. Es handelte sich um spezielle inoffizielle Mitarbeiter, die in den Untersuchungshaftanstalten tätig waren. Hierfür wurden einzelne Gefangene ausgewählt und beauftragt, sich das Vertrauen bestimmter Leidensgefährten zu erschleichen. Diese sollten sie beiläufig oder unter dem falschen Versprechen der Verschwiegenheit aushorchen und die gewonnenen Informationen der Staatssicherheit übermitteln.
Zelleninformatoren wurden besonders dann eingesetzt, wenn Beschuldigte in den Vernehmungen nicht gleich unter Druck gestanden. Nach einer Phase zermürbender Isolationshaft zogen dann tatsächlich viele Häftlinge den neuen Mitinsassen in das Vertrauen, wenn sie mit einem Zelleninformator zusammengelegt wurden. So konnten manche „Täter" von der Staatssicherheit doch noch „überführt" werden.
Zelleninformatoren der Staatssicherheit unterlagen als Häftlinge selbst politischer Verfolgung (und waren insoweit Opfer), wurden in der Ausnahmesituation der Haft aber auch zu Tätern, weil sie andere „ans Messer lieferten". Viele ließen sich rasch nach der Festnahme anwerben. Ihr Hauptmotiv lag wohl in der Hoffnung auf eine Verkürzung der Haftdauer, obwohl die Führungsoffiziere ihnen dies eigentlich gar nicht zusagen durften. Wenngleich viel später als von ihnen selbst erhofft, konnten die Zelleninformatoren im Allgemeinen ihre Freiheit jedoch rascher wiedererlangen als die von ihnen belasteten Mitgefangenen.
Weitere Motive kamen hinzu: So waren angesichts der Entbehrungen der Haft auch andere Zugeständnisse attraktiv, wie etwa ein ausnahmsweise gestatteter Besuch der Familienangehörigen. Die psychologisch geschulten Führungsoffiziere verstanden es zudem, sich das Vertrauen mancher Häftlinge zu erschleichen, um sie dann anzuwerben.
Eine etwaige Anwerbung unter Druck wurde in den Akten der Staatssicherheit natürlich kaum protokolliert, doch erlaubten die Rahmenbedingungen dies ohne weiteres. Besonders standhafte Häftlinge hingegen verweigerten den Verrat an ihren Leidensgefährten oder erklärten sich lediglich bereit, etwaige Suizidabsichten von Mitgefangenen zu melden. Aufgrund der Ausnahmesituation der Haft ist hier jede Spitzeltätigkeit anders zu bewerten als außerhalb der Gefängnismauern.
((von Jenny Schekahn, BStU und Tobias Wunschik, BStU)
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