Am 18. Oktober 2017 wurde es amtlich: Der Verkauf des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses ist endgültig abgeschlossen. Auf der Pressekonferenz am 20. Oktober 2017 in der Rotunde des Kaßberg-Gefängnisses stellte sich der neue Eigentümer, die Firma CeGeWo GmbH mit ihrem Geschäftsführer Jens Kroll, vor. Gemeinsam mit den Vorständen des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnis e.V. gab er Journalisten und Zeitzeugen Auskunft über die zukünftig geplante Nutzung des Haftgebäudes. Jens Kroll setzte sich im Bewerberverfahren gegen mehr als 30 andere Interessenten durch. Sein Konzept beinhaltet die Schaffung von Wohnungen, einer Jugendherberge und eines Mehrgenerationenhauses auf dem Gelände. Es hat den Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement auch deshalb überzeugt, weil er unseren Verein unterstützen möchte, im B-Flügel des Gefängnisses eine Gedenkstätte zu errichten und zu betreiben. Im sogenannten Vogel-Käfig – oder laut Jargon der Staatssicherheit „Päppelanstalt“ – wurden jene politischen Häftlinge untergebracht, die für den deutsch-deutschen Häftlingsfreikauf vorgesehen waren. Vorstandsvorsitzender Jürgen Renz erklärte in diesem Zusammenhang: „Es gibt erstmals eine klare Perspektive. Die Zeit der Spekulationen geht zu Ende.“ Jürgen Renz bekräftigte, der Verein sei optimistisch, (weiterhin) eng und konstruktiv mit dem neuen Eigentümer zusammenzuarbeiten. Parallel zu den laufenden Verhandlungen über den Verkauf hat der Verein Ende August 2017 bei der Bundesstiftung für Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin) und bei der Stiftung Sächsische Gedenkstätten (Dresden) einen entsprechenden Förderantrag zur Erstellung eines Konzepts für die Errichtung und für den Betrieb der Gedenkstätte Kaßberg eingereicht.
Hanka Kliese, stellvertretende Vorstandsvorsitzende, verdeutlichte, das öffentliche und mediale Interesse an der Geschichte und an der Entwicklung des Kaßberg-Gefängnisses sei über die Jahre hinweg nicht abgerissen. Zwar lösten Schlagwörter wie Wohnbebauung und Jugendherberge Bedenken aus, eine Mischnutzung auf dem Gelände des Gefängnisses aber stehe einer Gedenkstätte – nach unseren Vorstellungen – nicht hinderlich gegenüber, so Hanka Kliese weiter. Ziel des Vereins ist es weiterhin, die Geschichte dieses Repressionsortes darzustellen, über die Schicksale der politischen Insassen zu informieren und würdevolles Gedenken sowie lebendiges Lernen zu ermöglichen. Zeitzeuge und Vorstandsmitglied Christian Bürger bestätigte: „Oberste Priorität hat das würdige Andenken, diesem soll in der Gedenkstätte Rechnung getragen werden.“ Er gab zu bedenken, die Gedenkstätte könne von der geplanten Jugendherberge profitieren, indem Kinder, Jugendliche und Studenten aus allen Teilen Deutschlands z. Bsp. für Projekttage, Führungen und dergleichen in die Gedenkstätte nach Chemnitz kämen. Vorstandsmitglied Volker Bausch ergänzte anschließend mit Blick auf die Konzeption: „Es geht darum, ein langfristiges und nachhaltiges Konzept zu entwickeln. Es bietet sich hier eine besondere Chance für eine neue Perspektive der politischen Bildung, die eben nicht 1990 mit der Wiedervereinigung endet.“
Am Ende der Pressekonferenz wandten sich die Pressevertreter mit Fragen an die Vorstände und an Jens Kroll. Zeitzeuge und Vereinsmitglied Wolfgang Lötzsch richtete sich mit einem für unsere Zeitzeugen sehr wichtigen Anliegen an den neuen Eigentümer. Auf die Frage, ob die „Freigangzellen“ – auch Tigerkäfige genannt –wieder aufgestellt werden könnten, um zu verdeutlichen, wie menschenunwürdig mit politischen Häftlingen in der Untersuchungshaftanstalt umgegangen worden sei, antwortete Jens Kroll, diese sollten an ihrem ursprünglichen Platz nachgebildet werden. Dasselbe gelte für die Busschleuse am Eingang des Gefängnisses. Es ist gerade diese Sensibilität für den geschichtsträchtigen Ort, die den Vorstand des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnsis e. V. dazu veranlasst, der Firma CeGeWo GmbH bzw. Jens Kroll, das angemessene Vertrauen entgegenzubringen und der künftigen Zusammenarbeit positiv entgegenzublicken.
(alle Fotos: (c) Chris Seidel)