Rachowski, Utz


Kurzbiografie

Utz Rachowski lebte nach seiner Ausbürgerung im November 1980 in Westberlin und in Göttingen. Er studierte Kunstgeschichte und Philosophie. Im Jahr 1992 kehrte er in das Vogtland zurück. Heute arbeitet er als Autor und seit 2003 als Bürger- und Rechtsberater zur Rehabilitierung von Opfern der DDR-Diktatur im Auftrag des Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er veröffentlichte bislang 15 Bücher, darunter zwei Gedichtbände und ein Hörbuch. Utz Rachowski erhielt für sein literarisches Schaffen eine Vielzahl an Auszeichnungen.

Die folgenden Gedichte stammen von ihm.

 


GEFÄNGNIS-GEDICHTE (1979-1981)

 


traum

 
nachts

ich wär’ eine wolke

aus traurigkeit

mit wasser und salz

würd’ mich

verweinen

über deutschland


September 1979

 

 

Selbststeller

 
Bekleidet

mit meinem Steckbrief

übergebe ich

dem Staatsanwalt

die entsicherte

Kopie

eines Einfalls

und sage

ich bin auch dafür


1979

 

 

 


Kassiber für M.

 
Als

du ins Gefängnis

gingst

vergrub ich mein Herz

und nur du weißt

die Stelle


September 1979

 

 

 

Bruder wenn

deine Liebste

noch schläft

hinter Glasziegeln

ich hab es gehört

um Vier in der Früh

in Karl-Marx-Stadt

lassen sie

die Motoren an.

 


Steh auf Bruder! vor der Dämmerung

und beschütze den Traum

deiner Liebsten, flieh.

 


Meine Mutter

ließ einen Apfel

fallen

gab Geld ein Stück

Brot biss ich an

und ließ es Pompeji.

Herren standen

im Zimmer und

wühlten in Büchern

die sich die Augen

zuhielten und

schrieen als

man ihnen die Zungen

ausriss die

zwischen

den verbotenen

Seiten lagen.

 


Bruder entferne

den Kuss

vom Hals der Geliebten

vom Fenster

den Blick

die Lippen

vom Mund

wenn deine Liebste noch schläft

Bruder! um Vier in der Früh

lassen sie die Motoren an.

 


(endgültig aufgeschrieben erst im Frühjahr 1981)

 

 

 

DER HASE

 


Haken schlug ich

an die Kreuze

dieses Gitters

 


Karl-Marx-Stadt

Erdgeschoss

Verwahrraum sechs

 


nah war ich

den Wurzeln

 


die mich fraßen

 


(Januar 1981)

 

 

 

TROST FÜR ALLE

DIE HANDSCHELLEN TRAGEN

 


Die

die Macht haben

haben auch den Glauben

an

Riegel

Eisen und Stahl

Ich glaube den Händen

 


16. Oktober 2010

 

 

 

 

 

 

MEIN LIEBLINGSTIER

 


Jetzt

haben sie die Katze aus dem Sack gelassen

 


schrie der Richter

 


Jetzt

fällt sie auf die Pfoten

denke ich

sieht in der Dunkelheit

durch

hat sieben Leben

 


Jetzt

nenne ich sie

Wahrheit

 


(Dezember 1980)

 

 

 

 


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Homepage: www.rachowski.de